Bestsellerautor für Langlebigkeit – Der Arzt für alle, die 100 Jahre alt werden wollen (2024)

Ex-Krebschirurg Peter Attia hat die Formel für ein langes und gesundes Leben in einem hochgelobten Buch veröffentlicht. Das sind die fünf wichtigsten Punkte.

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Michael Marti

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Zugegeben, ein wenig anstrengen muss man sich schon. So anstrengen, wie es Peter Attia tut.

Doktor med. Peter Attia achtet sorgfältig darauf, was er isst, und noch sorgfältiger, was er trinkt. Er absolviert täglich ein Fitnessprogramm, mindestens eine Stunde lang, und wechselt dabei zwischen Kardiotraining auf dem Fahrrad und Kraftübungen an den Hanteln. Sein Hobby, das er ambitioniert pflegt, ist Bogenschiessen; es verbessert die Koordination der Muskeln und erhöht die Konzentration.

«Wollen Sie 100 Jahre alt werden?», fragte «The Telegraph» dieser Tage seine Leserschaft – um die Antwort gleich mitzuliefern: «Dann müssen Sie sich an Peter Attia wenden.»

Attia selbst – ein Mann mit kahlem Schädel, muskelbepacktem Körper und meistens ernste Miene – wird diesen März 54 Jahre alt. Er ist überzeugt, «wenn wir ganzheitlich auf unsere Gesundheit achten, können wir noch mit 80 Jahren die Koordination, Bewegung, Kraft und kognitiven Funktionen eines Sechzigjährigen haben». Dafür trainiert er nicht bloss unerschütterlich, sondern achtet auch akribisch darauf, dass er jede Nacht acht Stunden schläft. Der ehemalige Krebsarzt räumt dem seelischen Wohlbefinden genauso viel Bedeutung ein wie der Fitness. Wer will schon ein längeres Leben, wenn er es in einer Depression verbringen muss?

Dieser Mann hat einen Plan, der in allen Details in einem Buch niedergeschrieben ist. Im Frühjahr 2023 veröffentlicht, ist Attias «Outlive: The Science and Art of Longevity» nicht nur ein Bestseller, sondern bereits einige Monate nach Erscheinen «ein Klassiker der Longevity-Literatur», wie die «New York Times»bemerkt. Das hochgelobte Werk, gross wie ein Backstein und ähnlich schwer, macht Attia zu einem der erfolgreichsten Gesundheitsexperten in den USA; in den sozialen Medien folgen ihm eine Million Anhängerinnen und Anhänger, sein Podcast zählt 75 Millionen Downloads.

Nun ist Attias «Outlive» auch auf Deutsch erschienen, ein Handbuch, in dem Attia verständlich und spannend die neuesten Erkenntnisse zur Ernährung schildert, Techniken zur Bewegungs- und Schlafoptimierung diskutiert und immer wieder konkrete Tipps gibt.

Medizin 3.0 statt Medizin 2.0

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Attia ist nicht einfach ein weiterer Longevity-Ratgeber-Autor. Er hat in Stanford studiert, am renommierten Johns Hopkins Hospital in Baltimore operiert, und er blickt auf eine glänzende Karriere als Mediziner zurück. Wenn Attia scharf das amerikanische Gesundheitswesen – eines der teuersten der Welt – kritisiert, dann weiss er, wovon er spricht. Die «Medizin 2.0», wie er das aktuelle Behandlungssystem nennt, sei darauf ausgerichtet, reaktiv zu behandeln. Also erst dann gegen die vier häufigsten chronischen Alterskrankheiten – Herzbeschwerden, Krebs, Alzheimer, Typ-2-Diabetes – vorzugehen, wenn es in der Regel zu spät sei. Demgegenüber ziele seine «Medizin 3.0» darauf ab, ein Ausbrechen dieser Krankheiten –er nennt sie auch die «vier apokalyptischen Reiter des Alters» –so lange wie möglich zu verhindern, um ein gesundes und lohnenswertes Altern zu ermöglichen.

Attia, gemäss der Verlagswerbung der «führende Mediziner auf dem Thema Langlebigkeit», fordert einen radikalen Paradigmenwechsel hin zu einer präventiven und personalisierten Gesundheitsfürsorge. Herzerkrankungen, Diabetes, Alzheimer, Krebs: Keines dieser Leiden entstehe über Nacht. «Selbst wenn jemand einen plötzlichen Herzinfarkt erleidet, ist dies die Folge eines Prozesses, der 30 bis 40 Jahre früher begonnen hat.»

Gesundheit ist Arbeit

Gesünder und länger leben, das ist für Attia nicht eine Frage von Glück oder von Schicksal. Auch nicht von technischen Biohacks wie Glukose-Tracking oder von Lifestyle-Wundermedikamenten wie Ozempic. Longevity bedeutet für den Sohn ägyptischer Einwanderer: Disziplin bei Bewegung, Ernährung und Schlaf und Sensibilität fürs eigene seelische Wohlbefinden. «Gesundheit ist alles für uns», schreibt Attia, Vater dreier Kinder und seit 20 Jahren verheiratet mit Gattin Jill Attia. «Deshalb müssen wir akzeptieren, dass es Arbeit erfordert, sie bis ins Alter zu behalten.»(Lesen Sie auch: Abnehmen und fitter werden dank Blutzuckertracker?)

Bewegung ist das beste Medikament

Bewegung ist der Schlüsselfaktor in Attias Plan, für die «Erhöhung der Gesundheitsspanne», wie er sein Ziel auch definiert. «Wenn ich jemanden, der überhaupt keinen Sport treibt, dazu bringe, 30 Minuten am Tag, fünf Tage die Woche zu trainieren, dann senkt sich dessen Gesamtmortalität um 15 Prozent», rechnet der Mediziner vor, «das ist eine enorme Verlängerung der Lebenserwartung.»

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Attia hatte als Teenager geboxt und mit 31 mit der Ausdauersportart Schwimmen begonnen. Er war so fit, dass er ein Jahr danach vor der kalifornischen Küste die 40 Kilometer von Santa Catalina Island nach Los Angeles übers offene Meer schwamm. Die entscheidende Rolle von Bewegung und Sport für ein gesundes und hohes Alter ist wissenschaftlich unumstritten. Ungleich wichtiger als vielen anderen Longevity-Experten sind Attia allerdings Kraftübungen, das Training an Hanteln, die Arbeit an Kraftmaschinen. «Ich selbst finde stets einen Weg, um mindestens viermal die Woche schwere Gewichte zu heben», schreibt der Mittfünfziger mit der Statur eines Athleten.

Attia zitiert in seinem Buch mehrere Studien, die einen direkten Zusammenhang von Muskelmasse und Lebenserwartung postulieren. Zudem zeigen Untersuchungen, dass eine trainierte Muskulatur, Menschen vor Stürzen schützt – in den USA bei Frauen und Männern die häufigste Ursache für tödliche Unfälle. Nicht nur die Masse der Muskulatur ist entscheidend für die Verletzungsprävention, sondern ebenso die Fähigkeit zur Muskelkontrolle. Nach dem fünfzigsten Lebensjahr beträgt der Kraftverlust pro Jahr zwischen 1 und 4 Prozent. Attia betont die Notwendigkeit, diesem Rückgang aktiv entgegenzuwirken, um Unabhängigkeit und Lebensqualität im Alter zu erhalten, und schickt Frauen und Männer in den Kraftraum: «Am besten bauen wir in jüngeren Jahren überdurchschnittliche Stärke und Muskelmasse auf, um den Abbau auszugleichen.»

Mehr Proteine! Mehr Proteine!

Angenehm undogmatisch zeigt sich Attia in der Ernährungsfrage. Er legt sich auf kein Regime fest, ist weder ein Low-Carb-Fundamentalist noch ein Paleo-Diät-Jünger. «Ich bin kein Mönch, ich geniesse Essen, auch Desserts an Feiertagen», gesteht der Bestsellerautor seiner Leserschaft, «aber dann gehe ich am nächsten Tag hart trainieren.»

In einem Punkt aber kennt Attia keine Kompromisse: in dem der unumstrittenen Protein-Frage. Während andere Longevity-Expertinnen und -Experten vor einer übermässigen Eiweissaufnahme im Alter abraten – insbesondere tierische Proteine würden die Gefahr einer Krebserkrankung erhöhen –, gibt es für Attia kaum ein Zuviel. «Einer der grössten Fehler, den Frauen und Männer in ihren Fünfzigern und Sechzigern begehen, ist, dass sie zu wenig Proteine zu sich nehmen.» Mit zunehmenden Alter würden Menschen eine sogenannte anabole Resistenz entwickeln – was bedeutet, dass es für die Muskeln immer schwieriger wird, an der Proteinsynthese teilzunehmen. «Um unsere Muskelmasse zu erhalten, müssen wir täglich im Minimum zwei Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu uns nehmen», schreibt Attia. Auch er verweist darauf, dass Proteine nicht nur für den Muskelerhalt entscheidend seien, sondern auch für ein weitaus längeres Sättigungsgefühl sorgen als Fette oder Kohlenhydrate. (Lesen Sie auch: «Die Wahrheit über den Protein-Hype»)

Mehr Schlaf! Mehr Schlaf!

Auch Gesundheitsgurus lernen immer wieder dazu. «Nachdem ich den Schlaf jahrzehntelang ignoriert habe, bin ich nun sein Fan», schreibt Attia. «Ich betrachte ihn heute als ein leistungsförderndes Mittel.» Zwischen siebeneinhalb und acht Stunden soll der Mensch schlafen – weniger sei zu wenig.

Regeneration, Stressabbau, kognitive Leistungsfähigkeit, seelische Ausgeglichenheit: Ein gesunder und erholsamer Schlaf ist Voraussetzung dafür, dass Attias Plan aufgeht, und dieser Schlaf will planmässig vorbereitet sein. «Ich esse spätesten vier Stunden vor dem Schlafengehen; ich stelle sicher, dass der Raum die richtige Temperatur hat; ich verbanne alle elektronischen Geräte aus dem Schlafzimmer.» Ausserdem solle man gegen den Abend, so rät Attia, die Lichter und Leuchten in der Wohnung so weit wie möglich reduzieren.

Damit der Mensch mehr und erholsamer schläft, soll er weniger grübeln. «Wir neigen mit zunehmendem Alter dazu, mehr schwereGedanken zu haben», schreibt Attia. Damit ihm weder Sorgen noch Ängste den Schlaf und damit kostbare Lebensjahre rauben, schreibt der Longevity-Star ein Tagebuch und geht einmal in der Woche zur Psychotherapeutin. Und mitunter wird der Mediziner in seinem «Klassiker der Longevity-Literatur» geradezu philosophisch: «Wenn wir kein Glück in unserem Leben finden, scheint der Begriff des längeren Lebens irrelevant, sogar grotesk.»

Peter Attia: Outlive. Wie wir länger und besser leben können, als wir denken. Ullstein-Verlag, München 2024. 640 S., rund 25Fr.

Michael Marti ist Autor bei der SonntagsZeitung und beim Tages-Anzeiger und schreibt vor allem über gesellschaftspolitische Themen. ­Mehr Infos

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